Antimuslimischer Rassismus
Rassistische Diskriminierung gegenüber Muslim:innen oder als muslimisch wahrgenommenen Personen – nicht aufgrund biologischer Merkmale, sondern kulturell-religiöser Zuschreibungen. Sichtbar im Alltag, strukturell verankert und zunehmend gewaltvoll.
Definition
Im deutschsprachigen Raum wird der Begriff „Rasse“ im öffentlichen und wissenschaftlichen Diskurs kaum noch verwendet. Rassismus existiert jedoch weiterhin, nun vermehrt in Form von Zuschreibungen auf Basis von Religion oder Kultur (vgl. Schiffer 2010: 41; Keskinkılıç 2019: 12). Aktuell ist insbesondere die Gruppe der Muslim:innen bzw. als muslimisch gelesene Personen betroffen. Der Begriff „antimuslimischer Rassismus“ bezeichnet rassistische Diskriminierung, die sich nicht primär auf biologische Merkmale, sondern auf zugeschriebene religiöse oder kulturelle Differenzen bezieht (vgl. Massumi 2009: 56). Frühere Begriffe wie „Islamfeindlichkeit“ oder „Islamkritik“ greifen zu kurz, da sie strukturell-verankerte gesellschaftliche Ausgrenzungsmechanismen und Machtverhältnisse verkennen und dazu beitragen können, rassistische Einstellungen zu legitimieren (vgl. Shooman 2014: 22). Muslimische Menschen werden häufig als Gegensatz zum „Deutsch-Sein“ konstruiert; ihre Teilhabe wird nicht selten unter Schlagworten wie „Überfremdung“ problematisiert – ein Begriff, der im rechtsradikalen Diskurs zur Markierung und Abwertung von Minderheiten dient (vgl. Keskinkılıç 2019: 89). Statistiken zeigen seit Jahren einen Anstieg antimuslimischer Übergriffe und Diskriminierungen, was auch mit dem gesellschaftlichen Rechtsruck in Verbindung gebracht wird (vgl. BMI 2023: 14).
Im Jahr 2024 wurden in Deutschland 3.080 antimuslimische Vorfälle registriert – das sind rund 60 Prozent mehr als im Vorjahr. Damit ereigneten sich durchschnittlich über acht Fälle am Tag. Unter den dokumentierten Geschehnissen finden sich mehr als 70 Angriffe auf Moscheen und andere religiöse Einrichtungen. Die Zahlen verdeutlichen, dass antimuslimischer Rassismus kein Randphänomen ist, sondern in vielen Lebensbereichen vorkommt: im öffentlichen Raum, in Schulen, Behörden, auf dem Wohnungsmarkt oder online. Auffällig ist der Anstieg schwererer Taten wie Körperverletzungen (198 Fälle) und sogar zwei Tötungsdelikten. Besonders betroffen sind Frauen, die häufig im öffentlichen oder im schulischen Umfeld diskriminiert werden. Fachleute gehen zudem von einer erheblich höheren Dunkelziffer aus, als offiziell dokumentiert ist (Claim Allianz 2025).
Wichtige Merkmale im Überblick:
- Nicht biologisch, sondern kulturell-religiös motivierter Rassismus
- Betroffen: Muslim:innen und als muslimisch gelesene Menschen
- Strukturell verankert: Behörden, Bildung, Wohnungsmarkt, Öffentlichkeit
- Häufig frauenfeindlich konnotiert – v. a. im Umgang mit Kopftuchträgerinnen
- Zunahme dokumentierter Vorfälle – auch schwere Körperverletzungen und Angriffe auf religiöse Einrichtungen
- Begriff hebt Machtverhältnisse hervor – im Gegensatz zu „Islamfeindlichkeit“
- Gesellschaftlicher Rechtsruck als Verstärker antimuslimischer Einstellungen
- Erfordert Zivilcourage, Aufklärung und solidarisches Handeln
Im Projekt XChange
Zu diesem Thema wurde eine Podiumsdiskussion mit Betroffenen organisiert. Die zentralen Erkenntnisse dieser Diskussion sind im Folgenden dargestellt. Zudem wurden ergänzende Podcast-Interviews mit Personen, die muslimisch sind oder als solche wahrgenommen werden, geführt, um subjektive Perspektiven und Erfahrungen im Kontext antimuslimischen Rassismus einzubeziehen.
Erkenntnisse aus der Podiumsdiskussion
Sowohl von den Podiumsteilnehmenden als auch von den Besucher:innen wurde der Wunsch nach mehr Austausch und Dialog geäußert. Zudem wurde betont, dass verstärkte Zivilcourage im Umgang mit Rassismus erforderlich ist. Unabhängig von der konkreten Erscheinungsform sollten Mitglieder der Gesellschaft intervenieren, wenn sie mit rassistischen Handlungen oder Äußerungen konfrontiert werden.
Es wurde außerdem als übergriffig und belastend empfunden, sich wiederholt für die eigene Religionszugehörigkeit oder religiöse Praxis rechtfertigen zu müssen. Beispielhaft wurden Fragen genannt, wie etwa nach dem Grund für das Tragen eines Kopftuchs oder ob eine weiblich sozialisierte Person dazu gezwungen wurde. Solche Fragen spiegeln ebenfalls rassistische Strukturen wider.
Audiobeiträge aus dem Podcast
In diesem Abschnitt sind verschiedene Ausschnitte aus dem Podcast, die beschreiben auf welcher Art und Weise unsere Teilnehmende Antimuslimisches Rassismus wahrnehmen.
Deenturk über seine Erfahrung in Social Media
Deenturk produziert Videos auf Instagram, die sich mit dem Islam auseinander setzen. In diesem Ausschnitt aus der Podcastfolge „Mit Instagram gegen Vorurteile: Deenturks Reise zur Aufklärung“ spricht er über negative Kommentare, bei denen deutlich wird, dass auch im Netz Antimuslimischer Rassismus stattfindet.
Hier die ganze Folge zum nachhören:
Videoelement
Tugba spricht in der Podiumsdiskussion zum Thema Integration über den Rassimsus den Auslandsstudierende und Studierende mit Migrationsgeschichte erfahren.
Handlungsstrategien
Antimuslimischer Rassismus erfordert ein entschiedenes gesellschaftliches Handeln – sowohl individuell als auch strukturell. Neben Aufklärung und Empowerment sind konkrete Strategien zur Unterstützung Betroffener und zum Sichtbarmachen von Vorfällen zentral.
Was du tun kannst – als Betroffene:r oder Zeug:in
- Diskriminierung melden: Dokumentiere Vorfälle und melde sie bei spezialisierten Stellen (siehe unten).
- Nicht schweigen: Zeige Zivilcourage – z. B. durch das Ansprechen rassistischer Aussagen im Alltag.
- Solidarität zeigen: Betroffene ernst nehmen, unterstützen, nicht relativieren oder belehren.
- Aufklären: Nutze deine Stimme – ob in Bildung, Social Media oder persönlichen Gesprächen.
- Selbstschutz: Setze klare Grenzen, wenn Gespräche übergriffig werden – du bist nicht zur Rechtfertigung verpflichtet.
Beratungs- und Meldestellen
- Claim – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit
Plattform zur Dokumentation antimuslimischer Vorfälle
Website: https://www.claim-allianz.de
Meldetool: Vorfälle einfach online melden - Berliner Register
Regionale Erfassung diskriminierender und rechter Vorfälle
Website: https://berliner-register.de - Meldestelle „respect! – gegen islamfeindliche Diskriminierung“
Unterstützung bei Diskriminierung im Alltag, Schule, Job etc.
Teil von FAIR international / Ufuq.de - Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS)
Beratung & rechtliche Information
Website: https://www.antidiskriminierungsstelle.de
Online-Tools & Materialien
- HateAid – Unterstützung bei digitaler Gewalt & Hassrede
Website: https://www.hateaid.org
Rechtliche Beratung & Prozesskostenhilfe - ichbinhier – Community für digitale Gegenrede
Plattform: Facebook & Website
Tools für zivilgesellschaftliches Engagement im Netz - #GegenMuslimfeindlichkeit – Bildungsangebote & digitale Workshops
Angebote von ufuq.de, MBR, IDA u. a.
Quellen zum Nachlesen:
https://www.ida-nrw.de/fileadmin/user_upload/ueberblick/Ueberblick_WEB_03_2023.pdf
Von Blicken und Brandbomben. Antimuslimischer Rassismus heute | bpb.de